Post by Wolfgang NickWegen der Physik und dem Brechungsindex ist das Abbild auf der Retina
1/3 größer als bei einer Abbbildung in Luft.
Die Entfernungs-/Größenschätzung, also die Verarbeitung des Gesehenen
im Gehirn, lebt von der Erfahrung. Wenn ich nun einen Gegenstand
bekannter Größe betrachte (z.B. einen Meterstab), so weiß das Gehirn,
wie groß dieses Teil ist und setzt es auf die Entfernung, die dem
Abbild entspricht - also 1/4 näher als in Wirklichkeit.
Lege ich nun den Meterstab vor mich und habe an seinem Ende ein Objekt
unbekannter Größe (z.B. einen Fisch), so ist dem Gehirn die Entfernung
bekannt und die Größe wird 1/3 überschätzt (bei manchen Erzählungen an
Taucherbars habe ich allerdings den Eindruck, dass bei Fischen
manchmal auch ein Faktor >> 2 da reinspielt, SCNR).
Die direkte Entfernungsmessung (binokulare Dispersität, also der
Winkel zwischen den Bildern beider Augen) arbeitet beim Menschen nur
auf recht kurze Entfernung einigermaßen gut. Dazu gibt es
Versuchsreihen, in denen die Entfernungen zu auf monotonen Flächen
aufgestellten, unterschiedlich großen gleichartigen Objekten geschätzt
werden sollten (habe leider keinen Link). Die Schwankungsbreite der
Entfernungsangaben kann nur zu dem Schluss führen, dass die
Entfernungsschätzung aus dem Winkel zwischen beiden Augen beim
Menschen nur sehr eingeschränkt und nur auf kurze Entfernung
funktioniert.
Fazit: Man sollte besser lehren
Unter Wasser erscheint alles 1/3 größer ODER 1/4 näher, je nachdem, ob
Größe oder Entfernung bekannt ist.
Hi Wolfgang: Jein.
Auch das Wissen um die tatsächliche Entfernung rettet einen nicht vor
der Verrechnung scheinbare Entfernung/Abbildgröße. Denn selbst wenn
ich weiß, dass ein Objekt tatsächlich 1 m entfernt ist, so sind
Akkommodation und Konvergenz auf 75 cm eingestellt; das schlägt durch
gegenüber dem Wissen von der tatsächlichen Entfernung. Erst in dem
Moment, wo wir keine verwertbare Entfernungsinformation haben
(Monokular, Blick durch Blende, homogenes Umfeld) wirkt die
retinale Bildgröße alleine.
In diesem Zusammenhang, netter Selbstversuch (an Land):
streck beide Arme horizontal vor dir aus, Hände zur Faust mit
nach oben zeigenden/herausstehenden Daumen, Fäuste berühren
sich fast. Das ganze am Besten vor einem homogenen Hintergrund
(Wand). Nun wird es bisschen schwierig, mit Übung klappt es
aber: schau die beiden Daumen an, aber schielend, also:
rechtes Auge fixiert linken Daumen, linkes Auge fixiert
rechten Daumen. Bewege die Hände ein bisschen auseinander,
zueinander, sodass der 'mittlere Daumen' fusioniert. Du
siehst nun drei (!) Daumen. Phänomen: der mittlere Daumen
erscheint kleiner als bei normaler Betrachtung, obwohl die
retinale Bildgröße so ist wie bei normaler Betrachtung.
Nun bewege langsam die Hände auseinander und achte darauf,
dass der mittlere Daumen fusioniert bleibt (schwierig).
Phänomen: der Daumen wird immer kleiner und erscheint
näher zu kommen.
Du weißt, dass der Abstand sich nicht verändert hat, dennoch
sagt die steigende Konvergenz, das Objekt kommt näher
(Akkommodation sagt übrigens 'unveränderte Distanz').
Bei gleicher retinaler Bildgröße 'schrumpft' der Daumen
phänomenal. Das Wissen um die Distanz rettet uns also
nicht vor der Verrechnung der Tiefen-cues.
ciao - Sven
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Sven Blankenberger
http://www.psych.uni-halle.de/sven/